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Gedanken zu Filtern, Personalisierung und Medienmanipulation

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Ich habe zurzeit viel Zeit. Viel Zeit, die ich für allerhand nutzen kann und glücklicherweise unter anderem zum Bücherlesen nutze. Als ich vor einigen Wochen im Dussmann durch die Regale wuselte, fiel mir das Buch “Operation Shitstorm – Berufsgeheimnisse eines professionellen Medien-Manipulators” von Ryan Holiday, seines Zeichens PR-Berater von American Apparel, in die Hände. Ein ganz grauenhaft übersetztes Buch, bei dem man infrage stellen muss, ob der Übersetzer in seinem Leben jemals das Internet benutzt hat. Es hat aber einige interessante Insights, die einem früh feststellen lassen, dass der Titel auch nichts weiter ist, als der Versuch dich als zufälligen Passanten zum Kauf des Buchs zu bewegen. Ich lege jedem ans Herz, sich dieses Buch im englischen Original zu besorgen.

Sagen wir mal – bis zur Hälfte des Buchs fand ich das alles noch sehr interessant. Ryan Holiday erzählt darin, wie er es geschafft hat, seine Themen möglichst einfach und billig in den amerikanischen Blogs und Medien zu platzieren. Das geschieht kurz gesagt so: Er sucht sich ein kleines Blog, das sich schnell auf eine Story einlässt, gibt den Link als Tipp an ein größeres Blog weiter und dreht das Spiel so lange weiter, bis es zum Selbstläufer wird und selbst große Blogs und sogar Zeitungen, TV-Sender etc. darüber berichten. Wenn die Geschichte das hergibt, ist das gar nicht mal so schwer und ich habe mich gefragt, ob das hierzulande auch funktionieren könnte und ob dieses Wissen für mich auch mal nützlich werden könnte.

Aber nicht alle Storys sind das Papier oder die Rechenkapazität wert, mit der sie geschrieben werden. Also müssen sie geschönt und aufgeplustert werden und werden mitunter mit diversen Unwahrheiten angereichert, wodurch sie ein erschreckendes Bild der amerikanischen Medienlandschaft zeichnen. Die Geschichten in dem Buch haben es in sich und lassen an dem gesunden Menschenverstand der Redakteure von Blogs und Onlinemagazinen zweifeln – und davon sind die Journalisten sogenannter “seröser Medien”, also als Rundfunkkanäle oder Printerzeugnisse groß gewordener Publikationen, nicht ausgeschlossen. Ihre total auf durch Klicks generierte Werbeeinnahmen ausgerichtete Wertschöpfung zwingt die Onlinemedien geradezu zu solchem Verhalten und zur Täuschung der Öffentlichkeit.

Doch damit nicht genug: Gleichzeitig musste ich an die Personalisierung von Informationsströmen im Internet denken. Während der Recherche zu meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit dem Thema eingehender beschäftig und das Lesen von Eli Parisers “Filter Bubble” hilft einem zu verstehen, warum diese zweite Entwicklung nur noch mehr zur Täuschung der Menschen beiträgt. Für die personalisierenden Unternehmen gilt die Devise: Du bist, was du klickst. Das kann sich zwischen Facebook und Google stark unterscheiden, doch kommt der Wirklichkeit nie ausreichend nahe. Stärkere Personalisierung durch mehr Daten ist nicht die Lösung, denn stärkere Personalisierung führt zu einer Überanpassung der Filter. Man bekommt nichts Neues mehr zu sehen, was redundantes Denken erzeugt, die eigene Meinung nur weiter bestärkt und den Blick über den Tellerrand, einen Lernprozess sowie Kreativität verhindert.

Die Menschen kommen einfach nicht mehr aus dem Strom der Missinformation heraus. Der eine PRler setzt Gerüchte über seinen Konkurrenten in die Welt und dieser kontert mit gleichen Mitteln. Die Leute klicken die reißerischen Artikel und dank Facebook, Google & Co bekommen sie nur noch solche Storys aufgetischt. Es ist ein endloser Kreislauf, der sich immer weiter selbst befeuert.

“Da Nachrichten unser Verständnis dessen prägen, was um uns herum vorgeht, tragen diese Filter [gemeint sind die Redaktionen der Medien] dazu bei, eine konstruierte Wirklichkeit zu erschaffen,” schreibt Ryan Holiday.

Nach dem Lesen dieser beiden Bücher wundere ich mich ernsthaft wie Menschen in den USA überhaupt noch in der Lage sind, klar zu denken und Wirklichkeit von Schein zu unterscheiden. Bloggen in den USA scheint ein völlig abgestumpftes Geschäft zu sein, dem man am besten kein Vertrauen entgegen bringt. Es scheint mir eine absolut nutzlose Blase, die jeden Moment platzen könnte und das gesamte Mediensystem mit sich zum Einstürzen bringt. Es klingt wie das Eldorado der PR-Branche, die mehr oder weniger der einzige Gewinner des ganzen Spiels zu sein scheint. Und es lässt mich mit der Befürchtung und vagen Vermutung zurück, ob wir nicht auch auf dem Weg in den Sog der Klickökonomien, Überanpassung und Medienmanipulation sind. (Bitte überzeugt mich, dass dem nicht so ist!)

Die Lösungen, die Eli Pariser am Ende seines Buchs vorschlägt, finde ich lächerlich, nur begrenzt zielführend und zu kurz gegriffen. Leider kann ich selbst keine besseren Vorschläge leisten. Doch glaube ich, muss hier das ganze System™ neu gedacht werden und finde, es steckt viel Brauchbares in dem Text “Die Talfahrt” von Markus Spath.

Mein nächstes Buch wird von Nicholas Carr sein: “Wer bin ich, wenn ich online bin … und was macht mein Gehirn solange?” Ich hatte es bereits 2x in Angriff genommen – ein Lesezeichen befindet sich auf Seite 86, das andere bei der 302. Ich denke, es ist eine gute Kombination zu den beiden hier erwähnten Büchern. Es geht um die kognitiven Veränderungen, die das Internet und die digitale Gesellschaft mit sich zieht.

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